WHO NOT FEAR THE SEA, 2009

Das Projekt:
Auf unserer Reise Anfang 2009 durch Malaysia nach Thailand bekamen wir die Möglichkeit die Urak Lawoi (Menschen vom Meer), Ureinwohner des Adang Archipels, kennenzulernen und zu fotografieren.

Der Kontakt entstand durch unsere langjährigen Freunde Heike und Christian, die vor Jahren Deutschland verliessen,
um mit den Urak Lawoi zusammenzuleben. Sie lernten ihre Sprache und wurden sogar von den Stammesältesten als eigene Kinder adoptiert.
Die Urak Lawoi wurden erst vor etwa einer Generation mit der “Zivilisation” konfrontiert und sind heute noch überwiegend Analphabeten. Aus unserer Perspektive leben sie praktisch wie in der Steinzeit.

In Thailand sind sie eine unbeachtete und gering geschätzte Minderheit, die heute in ihrem letzten Stück Lebensraum – auf dem ihnen rechtlich zugesicherten Land – von Grundstücksspekulanten vertrieben werden. Die Illegalität dieser Vorgehensweise ist der thailändischen Regierung bekannt, Hilfe ist jedoch nicht in Sicht.
Es scheint, dass sich die Urak Lawoi in einem Wettlauf mit der Zeit befinden in dem sie hoffentlich bald einen Weg finden, ihre naturverbundene Lebensweise und ihre Kultur aufrecht zu erhalten – trotz des Tourismus, der immer stärker in ihren Lebensraum eindringt.

Wir möchten uns von ganzem Herzen bei Heike und Christian und allen Mitgliedern der Familie Hantalee (“Die das Meer nicht fürchten”) für diese ganz besondere und aussergewöhnliche Begegnung und Zusammenarbeit, bedanken.
Nabiha & Thom, 2009

 

Der Ausstellungstext:
Die das Meer nicht fürchten, Thailand 2009
Ein Portrait der Familie Hantalee
Verlorenes Paradies? 

Die Urak Lawoi (Menschen vom Meer), einst aus Indonesien emigriert, leben mitten im thailändischen Urlaubsparadies. Im 19. Jh. folgten sie ihrem Magier To Kiri aus Sumatra über die Andamanensee. Mit Kindern, Haustieren und Gepäck

in kleinen Ruderbooten waren sie auf der Suche nach neuen Fischgründen. To Kiri, nicht nur Schamane, sondern auch Abenteurer und Geschäftsmann, handelte mit Meeresfrüchten. Als exzellente Taucher und Schwimmer waren die Urak Lawoi für ihn die optimalen Weggefährten.

Im Jahr 1909 bat der Gouverneur der südthailändischen Provinz Satun seinen Bekannten To Kiri das Adang Archipel zu bevölkern. Thailand und Britisch Malaysia korrigierten gerade den Grenzverlauf. Mit “thailändischen” Bewohnern konnte der Gouverneur das an Ressourcen reiche Archipel für Thailand beanspruchen. Die große Entfernung zum Festland, das Fehlen eines natürlichen Hafens und die unberechenbaren Stürme der Regenzeit hatten bis dahin eine Besiedlung des Adang Archipels verhindert.

Die Urak Lawoi waren die Einzigen, die fähig waren auf diesen abgelegenen Inseln zu überleben. Je nach Jahreszeit bzw. vorherrschender Windrichtung errichteten sie Camps in geschützten Buchten. Sie lebten am Strand, bauten provisorische Hütten aus Naturmaterialien und ernährten sich von dem, was die Insel ihnen gab. Sie hatten keine Angst vor dem Meer, sondern lebten mit den Gezeiten. Sie respektierten ihren Lebensraum und verehrten die Geister der Natur und ihrer Ahnen.

Das Paradies aber blieb, sobald es entdeckt wurde, nicht lange unberührt. Die Fischindustrie griff als erste zu: Schildkröten, Hummer, Seegurken und Fische wurden mit immer ausgefeilteren Methoden systematisch ausgerottet.
Die Urak Lawoi waren eher Leidtragende als Täter: Nachdem Händler sie an Drogen wie Zucker, Kaffee und Alkohol gewöhnt hatten, mussten sie ihre Fähigkeiten für Geld verkaufen. Zusätzlich brachten die Händler neue Fangmethoden: Schleppnetz- und Dynamitfischen zerstörte die Riffe. Im Jahre 1975 wurde das Adang Archipel zum Tarutao Marine National Park erklärt. Wieder zum Nachteil der Urak Lawoi: Sie mussten ihre Siedlungen auf den Inseln Adang und Rawi aufgeben und das Campen, ein integraler Teil ihrer traditionellen Lebensweise, wurde verboten. Es wurde ihnen lediglich gestattet, auf der kleinen Insel Lipe zu leben. Diese Insel ist allerdings eine Perle im türkisblauen Wasser. Grundstücksspekulanten vom Festland erkannten die Möglichkeiten schon vor vielen Jahren. Mit Tricks, aber auch mit Drohungen und Gewalt wurden den Urak Lawoi die auf sie ausgestellten Landpapiere abgenommen. Erneut müssen sie weichen. Touristen aus aller Welt entspannen sich jetzt in Bungalows, erbaut auf den Ruinen eines Paradieses.

Wo aber bleiben die Urak Lawoi? Sie verschwinden im Meer der dunkelhäutigen Diener. Doch wer sich die Zeit nimmt, kann die eigentlichen Herren des Adang Archipels kennen lernen. Mit etwas Geduld eröffnet sich dem interessierten Reisenden eine Welt aus uraltem Wissen.
Heike Waelde, 2009