Könnt ihr Euch kurz vorstellen?
Wir haben uns 1997 im zarten Alter von 21 und 23 Jahren auf einer Party kennengelernt und sofort ineinander verliebt. Nabiha war kurz davor, sich für das Fotografiestudium zu bewerben, Thom war unerfüllt mit seinem Studium der Juristerei, arbeitete aber mit großer Begeisterung im Theater.
Beide fotografierten wir und schnell entstanden die ersten gemeinsamen Bilder, die – wie sich 2005 herausstellen sollte – zu unserem Langzeitprojekt UNITY wurden. Für Nabihas Aufnahmeprüfung (Mappe) zum Fotografiestudium produzierten wir die erste gemeinsame Serie.
Die Abschlussprojekte für Nabihas Studiengänge in London (Is a self-portrait a portrait of the self?, 2001) und Bielefeld (The Dream, 2004) waren Schlüsselerlebnisse unserer gemeinsamen Entwicklung als Künstlerpaar. Wir merkten dabei immer mehr, wie gut wir uns ergänzen.
Die Entdeckung von UNITY durch die Gruner + Jahr Galerie 11 auf einem Portfolio Review 2005 in Hamburg führte zu einer grossen Einzelausstellung mit 300 Bildern auf über 50 Metern, parallel zur World Press Photo Ausstellung. Die positiven Erfahrungen mit diesem Großprojekt, weiteren Ausstellungen, Veröffentlichungen und Aufträgen, veranlassten Thom, den Schritt zu wagen, sich mit Nabiha als Künstler und Fotograf selbständig zu machen und das ungeliebte Rechtsreferendariat zu beenden.
Nabiha & Thom 1997, aus dem Projekt UNITY (Langzeitprojekt seit 1997)
Wie sieht Euer gemeinsamer Arbeitsalltag aus und wie würdet Ihr den gemeinsamen künstlerischen Prozess beschreiben?
Unser gemeinsamer künstlerischer Prozess ist sehr verwoben. In über 21 Jahren gegenseitiger Inspiration und Zusammenarbeit haben sich ziemlich klare Strukturen entwickelt, die sich oft anfühlen wie ein gemeinsamer Tanz. Es gibt eine Choreographie, aber auch Raum für Improvisation.
Unser Workflow: Wir haben ein gemeinsames Archiv für Projekte wie die Metamorphosen.
Natürlich besprechen und beraten wir uns bei der Komposition und Bildbearbeitung sehr stark und es gibt Werke, die der eine größtenteils unabhängig vom anderen erstellt, wie z.B. Nereid – hier ist das Bildkonzept und die Ausführung von Thom, aber die Hälfte der verarbeiteten Bilder von Nabiha – bei Eos ist es genau umbekehrt.
Zuhause im Atelier hat sich dann folgende Struktur gebildet: Meist macht Nabiha die erste grobe Bildauswahl und Thom entscheidet die finale Kombination einer neuen Serie.Teilaspekte der Bildbearbeitung macht jeweils, wer sie am besten kann: Formen Thom, Farben Nabiha.
Unterwegs benutzen wir unsere diversen Kameras gemeinsam. Manchmal streiten wir aus Spaß, wenn Nabiha darauf besteht, dass eine Aufnahme von ihr ist, von der Thom wiederum überzeugt ist, sie gemacht zu haben.
Wenn einer von uns in den Zustand des „Foto-Flows“ kommt und ihn die Inspiration überkommt, hält der andere ihm den Rücken frei, passt auf, dass keiner ins Bild läuft und „sichert“ die Gegend, damit der andere in tiefe Konzentration abtauchen kann.
Nabiha ist der „PR und Marketing Außenkontakt“ und bespricht die Details dann mit Thom. Müssen Texte geschrieben werden, kann nach gemeinsamem Brainstorm Nabiha schnell ein weißes Blatt mit Worten füllen, die Thom dann langsam überarbeitet. Sind wir gefragt unsere Arbeiten zu präsentieren oder zu erklären, spricht Nabiha die einleitenden Worte und Thom geht dann tiefer ins Detail. Thom ist die Datenbank, Nabiha das Navigationssystem. Durch Akzeptanz unserer Schwächen und Kombination unserer Stärken wachsen wir.
aus dem Triptychon St. Mary´s Church / MetaTectural, 2016
Welche Ideen verteidigt Ihr in Eurer Kunst?
UNITY – und * celebrate life! *.
Wir leben, lieben und arbeiten im „Konzept“ des UNITY Gedankens, nicht nur, was uns beide betrifft. Es geht um die Erkenntnis, dass wir alle eine Spezies Mensch auf diesem einen Planeten Erde sind. Dieser wunderschöne Planet ist trotz aller wunderbarer Science Fiction und technischer Fortschritte zumindest für die nächste Zeit unser einziges Zuhause.
Durch unsere gemischten kulturellen Erfahrungen und Prägungen in unserer Kindheit haben wir beide unabhängig voneinander die Erfahrung gemacht, wie dumm es ist, sich als Mensch in die Unterschiede zu anderen zu verbeißen.
Wir halten Kriege und Kämpfe um Meinungen/ Glaube/ Religion/ Kultur etc. für ein absolutes Armutszeugnis der menschlichen Spezies und wünschen uns ein Bewusstsein, in der die Menschheit vereint ist in Toleranz und Vielfalt, Tiere nicht mehr grauenvoll behandelt werden und die Menschheit in friedvoller Mission das Universum erforscht. Dazu braucht es als Basis vor allem eine gewaltfreie und respektvolle Kommunikation.
In unseren Bildern möchten wir unsere Liebe und Faszination für die Schönheit dieser Schöpfung, von der wir alle Teil sind, ausdrücken – mit der Hoffnung, den Betrachter zu motivieren, dazu beizutragen, diese Schönheit zu bewahren und zu schützen.
Unbeschadet aller oberflächlichen Unterschiede und geistigen dogmatischen Mauern bleiben wir im Grunde alle gleich: jeder Mensch sehnt sich nach Liebe, Gesundheit, Sicherheit, Freude & Glück.
Wir glauben, dass wir als Menschheit nur eine Chance auf eine langfristig gesunde und lebenswerte Existenz haben, wenn wir endlich diese Einheit begreifen und lernen, grenzen- und kulturübergreifend zusammenzuarbeiten.
Umweltverschmutzung, Pestizide, Reaktorunfälle, Artensterben, Überschwemmungen, Erosion Tornados etc. scheren sich nicht um menschengemachte Grenzen. Wir müssen begreifen, dass es allen besser geht, wenn es „dem anderen“ besser geht.
Unsere Vision ist, unsere Mitmenschen daran zu erinnern, wie einzigartig, wundervoll und kostbar jeder Bruchteil einer Sekunde dieses Lebens ist – und dass man dieses Leben feiern und wertschätzen sollte als das faszinierende Wunder, das es ist. Daher: * Celebrate Life! *.
Sacred Grove, 2016
Könnt Ihr uns etwas über Eure Serie „Nightgarden“ erzählen?
Lilith ist eine komplexe mythologische Figur. Sie wird mit (dunkler) weiblicher Energie, dem Chaos, dem Unbewussten und Träumen, der Freiheit, der Nacht und der Wüste in Verbindung gebracht.
Von ihrem Ursprung in der babylonischen Dämonologie durchwanderte sie ägyptische, israelitische und griechische Überlieferungen, um im Mittelalter als Adams erste Frau (vor Eva) wieder aufzutauchen. Sie verlässt Eden, weil sie nicht ertragen kann, dem Mann untergeordnet zu sein.
Im Roten Meer sucht sie Zuflucht, wo sie unseren Vorstellungen nach eine eigene Version Edens erschafft: den Nachtgarten.
Was ist Eurer Meinung nach schwierig zu fotografieren?
Der überwältigende, ehrfurchtgebietende Anblick eines Himmels mit seinen subtilsten Farbverläufen zum Sonnenuntergang ist sehr schwer wiederzugeben. Wir nehmen mit unseren Sinnen viel mehr auf als Pixel oder Pigmente jemals darstellen können. Intensive Naturerlebnisse können einem das Gefühl geben mit dem großen Ganzen verbunden zu sein. Für uns kann jede Abbildung dieses Wunders nur ein Echo bleiben.
So wie es schwierig ist, das Gefühl der Liebe zu erklären, weil Worte nur eine Merkhilfe im Vergleich zum echten Gefühl bleiben, so sind Bilder auch immer nur eine Repräsentation solch großer Empfindungen. Wir wünschen uns, dass unsere Bilder den Betrachter zumindest ein wenig an diese Momente erinnern, als er sich selbst mit allem verbunden gefühlt hat.
aus der Serie Hawa Mahal – Palace of the Winds, 2017
ENDE
Lektorat: Rabea Tjaden