Das Selbst zu erfahren heißt, dass wir uns immer unserer eigenen Identität bewusst sind. Wir wissen dann, dass wir niemals etwas anderes sein können als wir selbst, dass wir niemals uns selbst verlieren und niemals von uns selbst entfremdet werden können. Dies ist so, weil wir erkennen, dass das Selbst unzerstörbar ist, dass es immer ein und dasselbe ist, nicht aufgelöst oder gegen etwas anderes ausgetauscht werden kann. Das Selbst befähigt uns, unter allen Umständen unseres Lebens derselbe zu bleiben.1
Es ist eine Zeit, in der es gilt, das eigene Wesen zu entfalten und nicht länger die hohlen Rollen auszufüllen, die wir als Zugeständnis an die Gesellschaft gespielt haben.2
THE DREAM erzählt die spirituelle Reise einer jungen Frau zu ihrem wahren Selbst und zeigt die Entwicklung ihres erwachenden Bewusstseins und die der selbstregulierenden Kraft ihres schöpferischen Selbst.
Das Tarot, das Rad des Lebens, ist ein sehr altes Buch, das die Entwicklung/Reise unserer Seele darstellt. Die Karten sind als Alphabet der Bildersprache unserer Seele zu verstehen. Während die Sprache unseres Bewusstseins Worte sind, sind Bilder die unseres Unterbewusstseins.
THE DREAM interpretiert die letzten drei Tarotkarten der großen Arkana:
Die Sonne XIX, Das jüngste Gericht XX und Die Welt XXI sind die letzten drei Stationen in der klassischen Reihenfolge. In THE DREAM ist jedoch Die Welt nicht Ziel, sondern Ausgangspunkt der Reise, denn das Lebensrad kann sich in beide Richtungen drehen.
Die Geschichte geht um den Aspekt der Entwicklung der menschlichen Seele, der uns auf dem Weg zur eigenen Selbst-Werdung erkennen lässt, dass unser Paradigma einer trügerischen Erscheinungswelt gleicht, voller Illusion, Gebundenheit, Selbstentfremdung und Scheinidentität.
Der heutige Zustand unserer Erde entspricht dem kranken Zustand unserer Seelen, die in dieser Scheinwelt von Unzufriedenheit und Depression gezeichnet sind, während sie nach Liebe hungern.
Die Konditionierung, das herrschende Paradigma einfach zu akzeptieren und nicht zu hinterfragen, wird versinnbildlicht von der Schattenseite, der dunklen Bedeutung der Karte Die Welt.
Hier knüpft die Vorstellung von Maya an, das hinduistisch-buddhistische Konzept von der Illusion unserer Sinne, die uns glauben lässt, dass wir von Gott und den anderen Menschen getrennt sind.
Unsere Gesellschaft lebt im Bewusstsein der getrennten Wahrnehmung von „Körper“ und „Geist“. Unser Blick hat sich in der heutigen Welt vom Körper gelöst, was einen Identitätsverlust und eine innere Leere bewirkt, die nach (visueller) Ersatzbefriedigung schreit.
Alles ist jedoch Brahman, die absolute, unveränderliche und allgegenwärtige Realität, das Wissen, dass alles eins ist, unity. Alles ist miteinander verbunden und strebt in seinem tiefsten Inneren auch nach diesem Zustand der friedlichen Vereinigung. Die universelle Energie des Brahman existiert in jedem Individuum in Form des Atman: die Seele oder das Selbst.
Am Anfang des Wegs zur eigenen Seele und zum wahren Selbst steht die Erkenntnis, dass die herrschende Version unserer Realität nur eine Scheinwelt ist und dass es mehr gibt als das bloß Sichtbare.
Wer dieser Scheinwelt glaubt und sie für das einzig Wahre hält, bleibt Opfer falscher Identitäten, trügerischer und verführerischer Bilder und Systeme und kann sein Selbst nicht finden, weil er abgelenkt ist. Wer nicht hinterfragt, träumt weiter – und bleibt dennoch unglücklich. (Es ist der traumwandlerische Zustand des Alltags, in dem sich Menschen leicht regieren lassen und keinen höheren Seins-Zustand anstreben.)
Durch das Anzweifeln der alltäglichen Illusionen wird dem Schläfer der Albtraum bewusst und seine Seele erwacht. Diese Des-Illusionierung garantiert jedoch nicht, dass er mit dieser Erkenntnis auch umgehen kann: es besteht die Gefahr, verrückt, fanatisch oder depressiv zu werden. Übersteht er dieses Erwachen, kann er seinem reinen Selbst, das nun von falscher Identifizierung und Scheinheiligkeit befreit ist, begegnen.
Nur wer sein reines Selbst kennt und frei ist von den lügnerischen Verstrickungen dieser Welt, besitzt die Fähigkeit, auch einen anderen Menschen in dessen „seelischer Reinform“ wahrnehmen und erkennen zu können. Erst ein solcher Mensch ist fähig zu lieben. In allen anderen Fällen erfüllt die „Liebe“ leider nur eine (gesellschaftliche/ psychologische) Funktion. Das Hinterfragen unseres Paradigmas ist also nicht nur fundamental um sich der eigenen Selbst-Erkenntnis zu nähern, sondern es gebiert auch die Vorraussetzungen, um lieben zu können.
Die biblische Idee des Liebe deinen Nächsten wie dich selbst, verkörpert diesen Gedanken.
Liebe zu meinem Selbst ist untrennbar mit der Liebe zu allen anderen Wesen verbunden. (…) Wenn ein Mensch fähig ist, produktiv zu lieben, dann liebt er auch sich selbst; wenn er nur andere lieben kann, dann kann er überhaupt nicht lieben.3
THE DREAM zeigt das Erwachen aus dem Albtraum der Scheinwelt (Die Welt), die damit verbundene Desillusionierung (Das jüngste Gericht), und das Ziel (Die Sonne), die Vereinigung mit dem innersten höchsten Selbst als Ausgangspunkt für ein Leben voller Liebe.
© Nabiha Dahhan & Thom Kolodziej 2004
1 Akron, Hajo Banzhaf: Der Crowley Tarot, S. 245, Goldmann.
2 Carl Gustav Jung: Grundwerk Bd.1-9. Olten 1985, Walter.
3 Erich Fromm: Die Kunst des Liebens, S. 74, Ullstein.